Der CTO zeigt dir stolz das neue Software-Tool. Zwanzig Minuten Fachchinesisch später verstehst du immer noch nicht, was das Ding eigentlich macht. Kennst du das? Dein Kopf raucht, die Kollegen nicken höflich, aber niemand weiß wirklich, wovon geredet wird. Genau hier liegt das Problem vieler Unternehmen: Sie haben brillante Produkte – aber erklären sie wie Raketenwissenschaftler für Raketenwissenschaftler.
Videos können das ändern. Aber nicht irgendwelche Videos. Die richtigen.
Warum Videos komplexe Sachen besser erklären als alles andere
Unser Gehirn ist faul. Wirklich faul. Es will Informationen so schnell und einfach wie möglich verarbeiten. Text? Anstrengend. Lange Präsentationen? Noch anstrengender. Aber bewegte Bilder mit Ton? Das ist wie ein Expressweg direkt ins Verständnis.
Videos nutzen mehrere Sinneskanäle gleichzeitig. Du siehst, hörst und – wenn’s gut gemacht ist – fühlst regelrecht, wie etwas funktioniert. Der gezielte Einsatz von Visuals steigert die Aufmerksamkeit und hilft, auch komplexe Inhalte verständlich zu machen. Eine abstrakte Buchhaltungssoftware wird plötzlich greifbar, wenn du siehst, wie sich Zahlen in Echtzeit bewegen und verändern.
Dazu kommt: Videos können Zeit komprimieren. Was in der Realität Stunden dauert, zeigst du in zwei Minuten. Prozesse, die normalerweise unsichtbar ablaufen, machst du sichtbar. Das ist wie Röntgenblick für komplexe Abläufe.
Aber – und das ist wichtig – nicht jedes Video erklärt automatisch gut. Die meisten Erklärvideos sind langweilig, überladen oder schlicht verwirrend. Warum? Weil sie von Menschen gemacht werden, die ihr Produkt schon zu gut kennen.
Der erste Schritt: Vergiss alles, was du über dein Produkt weißt
Das klingt paradox, aber es ist der wichtigste Punkt. Du kennst dein Produkt in- und auswendig. Jede Funktion, jedes Detail, jeden Vorteil. Genau das ist dein Problem.
Deine Kunden kennen es nicht. Sie haben andere Sorgen, andere Prioritäten, andere Fragen. Wenn du ein Video planst, musst du buchstäblich dein Expertenwissen vergessen und dich fragen: Was würde jemand wissen wollen, der das Problem hat, das mein Produkt löst?
Nimm ein CRM-System. Du denkst an Datenintegration, API-Schnittstellen und Workflow-Automatisierung. Dein Kunde denkt: „Wie behalte ich endlich den Überblick über meine Kundenkontakte?“ Zwei völlig verschiedene Welten.
Hier hilft eine einfache Übung: Erkläre dein Produkt einem Zwölfjährigen. Nicht, weil deine Kunden zwölf sind, sondern weil du dann automatisch die wichtigsten Punkte herausfilterst und komplizierte Begriffe vermeidest.
Die Struktur: Vom Problem zur Lösung (aber nicht so offensichtlich)
Die meisten Erklärvideos folgen einer langweiligen Formel: Problem vorstellen, Lösung präsentieren, fertig. Das funktioniert – ist aber austauschbar und wird schnell vergessen.
Besser ist ein Dreischritt, der etwas subtiler vorgeht:
Erstens: Zeig eine Situation, keine Problemliste. Statt zu sagen „Unternehmen haben Probleme mit der Lagerverwaltung“, zeigst du: Ein Mitarbeiter steht vor leeren Regalen, obwohl das System sagt, es sei alles da. Das ist konkret, nachvollziehbar und emotional.
Zweitens: Führe zur Erkenntnis, nicht zur Lösung. Lass den Zuschauer selbst verstehen, warum bisherige Ansätze nicht funktionieren. Menschen mögen es, wenn sie das Gefühl haben, selbst draufgekommen zu sein.
Drittens: Zeig die Veränderung, nicht das Produkt. Am Ende steht nicht dein Tool im Mittelpunkt, sondern das neue Gefühl: entspannte Mitarbeiter, zufriedene Kunden, reibungslose Abläufe.
Apropos Struktur – sie darf auch mal holprig sein. Perfekte Übergänge wirken oft künstlich. Ein spontaner Gedanke zwischendurch, ein „Übrigens, das erinnert mich an…“ macht Videos menschlicher. Ein starker Einstieg, der das Problem der Zielgruppe direkt adressiert, ist laut Expertenratgeber für Erklärvideos entscheidend für die Aufmerksamkeitsspanne der Zuschauer.
Das richtige Format finden (und warum 2D-Animation oft gewinnt)
Hier wird’s praktisch. Welches Videoformat passt zu welchem Produkt?
Realfilm funktioniert gut bei physischen Produkten oder Services mit viel menschlicher Interaktion. Banking-Software? Eher nicht. Ein neues Café-Konzept? Definitiv.
Screencast ist perfekt für Software, die der Nutzer direkt sieht und bedient. Aber Vorsicht: Nicht einfach durchklicken und kommentieren. Das wird schnell langweilig. Besser: Zeig konkrete Anwendungsfälle mit echten Daten.
2D-Animation ist oft die beste Wahl für abstrakte oder komplexe Themen. Gerade für abstrakte oder komplexe Themen empfiehlt sich der Einsatz von 2D-Animation, da sie Prozesse und Datenflüsse visuell greifbar macht. Warum? Weil du buchstäblich alles zeigen kannst. Datenflüsse, Prozesse, Verbindungen zwischen verschiedenen Systemen – alles wird visuell greifbar.
Ich hab neulich ein Video für eine Blockchain-Anwendung gemacht. Realfilm? Unmöglich. Screencast? Zu technisch. Aber mit 2D-Animation konnten wir zeigen, wie Daten von A nach B wandern, sich verschlüsseln, validiert werden. Plötzlich ergab auch für Laien Sinn, was Blockchain eigentlich macht.
3D-Animation brauchst du selten. Teuer, aufwendig und oft überflüssig. Außer, dein Produkt ist wirklich dreidimensional und komplex – wie Maschinen oder medizinische Geräte.
Storytelling: Die geheime Zutat
Menschen lieben Geschichten. Schon immer. Aber Business-Videos? Da wird oft vergessen, dass auch B2B-Kunden Menschen sind, die gerne einer Geschichte folgen.
Eine Geschichte braucht einen Protagonisten. Nicht dein Unternehmen – sondern jemand, der das Problem hat, das dein Produkt löst. Nennen wir sie Sarah, die Marketingleiterin, die jeden Monat Stunden damit verbringt, Reports aus verschiedenen Tools zusammenzusuchen.
Sarah ist nicht irgendeine „Zielgruppe“. Sie ist konkret: gestresst von zu vielen Aufgaben, frustriert von ineffizienten Prozessen, unter Zeitdruck. Wenn dein Video zeigt, wie Sarah dank deiner Lösung wieder Zeit für strategische Arbeit hat, entsteht eine emotionale Verbindung.
Das funktioniert auch bei sehr technischen Produkten. Eine KI-basierte Qualitätskontrolle wird verständlicher, wenn du zeigst, wie Produktionsleiter Thomas endlich ruhig schlafen kann, weil er weiß, dass Fehler automatisch erkannt werden.
Wichtig: Die Geschichte muss echt wirken. Übertreibung zerstört Glaubwürdigkeit. Lieber kleine, nachvollziehbare Verbesserungen als unrealistische Heilungsversprechen.
Fachbegriffe reduzieren (ohne dumm zu werden)
Das ist eine Kunst. Zu viele Fachbegriffe verwirren. Zu wenige wirken unprofessionell. Die Balance findest du, indem du Fachbegriffe durch Funktionen ersetzt. Die Empfehlung, bei Erklärvideos auf einfache Sprache und klare Botschaften zu setzen, wird durch Best Practices der Videoproduktion gestützt.
Statt „Machine Learning Algorithmus“ sagst du „Software, die aus Erfahrung lernt“. Statt „API-Integration“ sprichst du von „automatischem Datenaustausch zwischen Systemen“. Der Fachbegriff kann trotzdem erwähnt werden – aber erst nach der verständlichen Erklärung.
Eine Technik, die gut funktioniert: die Sandwich-Methode. Erst die einfache Erklärung, dann der Fachbegriff, dann nochmal die Anwendung in einfachen Worten.
„Unsere Software lernt aus jedem Vorgang und wird dadurch immer besser – das nennt man Machine Learning. Praktisch heißt das: Je länger Sie sie nutzen, desto genauer werden die Vorhersagen.“
Metaphern und Analogien: Brücken ins Verständnis
Komplexe Themen werden sofort klarer, wenn du sie mit bekannten Dingen vergleichst. Cloud-Computing? Wie ein Schlüssel für einen riesigen, unsichtbaren Werkzeugkasten, den du überall nutzen kannst. CRM-System? Wie ein perfektes Gedächtnis, das nie vergisst und immer die richtigen Informationen parat hat.
Aber Vorsicht vor abgenutzten Metaphern. „Wie ein Schweizer Taschenmesser“ oder „Ihr digitaler Assistent“ – das haben alle schon mal gehört.
Bessere Analogien sind spezifisch und überraschend. Eine Firewall ist nicht „wie eine Mauer“, sondern „wie ein misstrauischer Türsteher, der jeden Besucher genau prüft, bevor er ihn reinlässt“.
Die besten Metaphern entstehen, wenn du dich fragst: Womit hat meine Zielgruppe täglich zu tun? Ein Erklärvideo für Ärzte kann medizinische Vergleiche nutzen. Eins für Handwerker funktioniert mit Werkzeug-Analogien.
Die richtige Länge: Kurz, aber nicht zu kurz
„Videos müssen kurz sein“ – das hört man ständig. Stimmt auch. Aber „kurz“ heißt nicht automatisch „gut“. Ein 30-Sekunden-Video, das nichts erklärt, ist schlechter als ein dreiminütiges, das wirklich weiterhilft.
Die goldene Regel: So kurz wie möglich, so lang wie nötig. Für einfache Produkte reichen oft 60-90 Sekunden. Komplexe Software oder Dienstleistungen brauchen eher 2-3 Minuten. Die ideale Länge für Erklärvideos liegt laut Best-Practice-Leitfaden bei 60 bis 90 Sekunden, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu sichern. Alles über vier Minuten sollte eine Ausnahme sein.
Entscheidend ist der Rhythmus. Ein Video fühlt sich länger an, wenn es langweilig ist. Wechselnde Bilder, unterschiedliche Sprechgeschwindigkeiten und überraschende Momente halten die Aufmerksamkeit.
Übrigens: Die Länge hängt auch vom Kanal ab. Für LinkedIn oder Instagram Stories gelten andere Regeln als für deine Website oder Verkaufspräsentationen.
Typische Fehler (und wie du sie vermeidest)
Nach Jahren der Videoproduktion sehe ich immer wieder dieselben Mistakes. Hier die häufigsten:
Fehler 1: Zu viel auf einmal erklären. Wenn dein Produkt zwanzig Funktionen hat, zeig nicht alle im ersten Video. Konzentrier dich auf die drei wichtigsten Anwendungsfälle.
Fehler 2: Zu schnell sprechen. Bei komplexen Themen brauchen Menschen Zeit zum Verstehen. Pausen sind okay. Wiederholungen auch.
Fehler 3: Schlechter Ton. Visuell kann viel schiefgehen, aber schlechter Ton macht jedes Video unbrauchbar. Investier in ordentliche Sprachaufnahmen.
Fehler 4: Keine klare Handlungsaufforderung. Am Ende wissen die Zuschauer zwar, was dein Produkt macht – aber nicht, was sie als Nächstes tun sollen.
Fehler 5: Zu perfekt sein wollen. Ein Video mit kleinen Unperfektion wirkt oft authentischer als ein steriles Hochglanz-Produkt. Menschen vertrauen Menschen, nicht Maschinen.
Erfolg messen: Mehr als nur Views und Likes
Views sind schön, aber sagen wenig über den Erfolg aus. Wichtiger sind andere Metriken:
Completion Rate: Wie viele schauen bis zum Ende? Bei Erklärvideos sollten es mindestens 70% sein.
Engagement nach dem Video: Bekommen du mehr Anfragen? Verkaufsgespräche? Downloads?
Verständnis-Test: Frag Kunden direkt, ob sie nach dem Video besser verstehen, was dein Produkt macht.
Support-Anfragen: Gute Erklärvideos reduzieren häufige Fragen im Kundenservice.
Ein Trick: Bau kleine Tests ins Video ein. „Wie würden Sie vorgehen, wenn…“ – Dann siehst du in den Reaktionen, ob wirklich verstanden wurde.
Kanalübergreifender Einsatz: Ein Video, viele Möglichkeiten
Das schöne an gut gemachten Erklärvideos: Sie funktionieren überall. Auf der Website als Hero-Element, im Sales-Pitch als Eisbrecher, auf Messen als Eye-Catcher, im Onboarding als erste Orientierung.
Aber – und das ist wichtig – nicht jeder Kanal funktioniert gleich. Für Social Media brauchst du oft Untertitel und einen starken Einstieg in den ersten drei Sekunden. Für Verkaufsgespräche kannst du länger und detaillierter werden.
Smart ist, wenn du ein Hauptvideo produzierst und dann Varianten daraus schneidest. Teaser für Social Media, ausführliche Version für die Website, Einzelkapitel für E-Mail-Kampagnen.
Bei TRMD machen wir das regelmäßig: Ein dreiminütiges Erklärvideo wird zu fünf verschiedenen Formaten für unterschiedliche Kanäle. Effizient und konsistent.
Wenn Technik auf Kreativität trifft
Hier wird’s persönlich: Mir fällt immer wieder auf, wie sehr sich die Videoproduktion in den letzten Jahren verändert hat. KI-Tools können heute in wenigen Stunden erstellen, was früher Wochen gedauert hat. Texte generieren, Bilder erstellen, sogar Sprachaufnahmen synthetisieren.
Das ist faszinierend und beunruhigend zugleich. Faszinierend, weil komplexe Erklärvideos plötzlich für kleine Unternehmen erschwinglich werden. Beunruhigend, weil die Gefahr wächst, dass alle Videos gleich aussehen und klingen.
Die Lösung? Technologie nutzen, aber nicht ersetzen lassen. KI kann dir beim Skript helfen, bei der Bildgenerierung, bei der Nachbearbeitung. Aber die Idee, die Geschichte, die Zielgruppenanalyse – das bleibt menschlich.
Der Moment, wenn’s klick macht
Das Beste an Erklärvideos passiert nicht beim Produzieren, sondern beim Anschauen. Wenn du siehst, wie bei jemandem der Groschen fällt. Wie aus Verwirrung Verständnis wird. Wie aus „Das ist zu kompliziert“ ein „Ach so, das ist ja eigentlich logisch“ entsteht.
Diese Momente entstehen nicht durch Zufall. Sie entstehen, wenn du dich wirklich in deine Zielgruppe hineinversetzt, wenn du deren Sprache sprichst, deren Probleme ernst nimmst und deren Zeit respektierst.
Vielleicht ist das am Ende das Wichtigste: Ein gutes Erklärvideo ist kein Marketing-Tool, sondern ein Akt der Höflichkeit. Du hilfst Menschen dabei, etwas zu verstehen, was ihnen helfen könnte. Und das ist doch eigentlich ein ziemlich schöner Job.
Die Frage ist nur: Machst du daraus einen Monolog über dein geniales Produkt – oder einen Dialog mit Menschen, die eine Lösung suchen?